Enlightened Knowledge of Nature in its Habsburg Settings: Minerals and Imperial Collecting at Florence and Vienna

Enlightened Knowledge of Nature in its Habsburg Settings: Minerals and Imperial Collecting at Florence and Vienna

Organisatoren
Institut für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien
Ort
Wien
Land
Austria
Fand statt
In Präsenz
Vom - Bis
14.06.2022 - 14.06.2022
Von
Sarah Sabina Triml, Institut für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien

Das Symposium widmete sich den Fragen, was das Sammeln und Katalogisieren von Mineralien in einem imperialen Kontext bedeutete und was Florenz und Wien verband. Den Anlass gab die Publikation des Buches „Collectio Mineralium. The Catalog of Holy Roman Emperor Leopold II’s Mineralogical Collection“, das Annarita Franza, Johannes Mattes und Giovanni Pratesi bei Firenze University Press herausgegeben haben. Das auf der Website des Verlags in open access verfügbare Werk enthält neben einem Transkript des deutschsprachigen Katalogs und seiner englischen Übersetzung mehrere Fachaufsätze und einen umfassenden Quellenapparat, der die Entstehungsgeschichte des Katalogs, die Charakterisierung der Mineralien und deren geographische Herkunft kommentiert.

Eröffnet wurde die Veranstaltung mit Grußworten des interimistischen Direktors des Akademie-Instituts für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte (IKT), JOHANNES FEICHTINGER (Wien). Feichtinger unterstrich die Bedeutung wissenschaftshistorischer Forschung an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und verwies auf rezente Forschungsunternehmen wie die im Mai erschienene dreibändige Geschichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (1847–2022) und den im Vorjahr eingerichteten Themenpool „Österreichische Wissenschaftsgeschichte“.

Den Willkommensworten schloss sich die Mineralogin und Kuratorin der Gesteinssammlung am Naturhistorischen Museum LIDIA PITTARELLO (Wien) an. Sie betonte die Rolle von Kaiser Leopold II. (1747–1792) als Sammler und Förderer der Naturforschung. Der durch seine nur zwei Jahre dauernde Regierungszeit weniger in der Öffentlichkeit präsente Kaiser und Sohn Maria Theresias habe – wie auch seine Geschwister Joseph II. und Maria Anna – das Interesse an der Naturgeschichte von seinem Vater Franz Stephan von Lothringen übernommen. Dieser hatte eine umfangreiche Privatsammlung anlegen lassen und damit den Grundstein des heutigen Naturhistorischen Museums geschaffen.

Im ersten Vortrag unterstrich IKT-Historiker JOHANNES MATTES (Wien) die wissenschaftliche Relevanz des Katalogs der Mineralogischen Sammlung von Leopold II. Dieser befindet sich heute im Historischen Archivs des Naturhistorischen Museums der Universität Florenz, auch wenn die dazugehörende Sammlung nicht mehr besteht. Der Katalog, so betonte Mattes, sei 1765 entstanden, als Erzherzog Leopold nach dem Tod seines Vaters als Pietro Leopoldo die Regentschaft des Großherzogtums der Toskana übernahm und nach Florenz zog. Das rund 100 Folioseiten umfassende Dokument wurde von Beamten der Hofkammer in Münz- und Bergwesen in Wien verfasst und enthält detaillierte Angaben zu mehr als 240 Mineralien. Die zu Lehr- und Studienzwecken gesammelten Erzstufen stammen mit Ausnahme zweier Objekte aus dem Harz, aus Lateinamerika und aus den Bergbaugebieten der Habsburgermonarchie wie u.a. Böhmen, Kärnten, Oberungarn, Siebenbürgen und Tirol. Doch nicht nur Erzstufen aus allen Teilen des Habsburgerreichs habe der Katalog Leopolds gebündelt, sondern auch unterschiedliche Formen von Wissen und deren Akteure wie Bergknappen, höhere Bergbaubeamte, Naturforscher, private Sammler und Vertreter der Aristokratie. Für Mattes stellen Sammlungskataloge deshalb eine „Materialisierung komplexer Austauschprozesse zwischen Personen, Objekten und Wissen“ dar und eignen sich als Ausgangspunkt für die Analyse größerer politischer, sozialer und wissenschaftlicher Phänomene. Abschließend bedankte er sich bei den Historikerinnen Doris Corradini und Sandra Klos, die an der Transkription des Katalogs und bei dessen Übersetzung ins Englische mitgewirkt haben.

FRANZ L. FILLAFER vom IKT (Wien) widmete seinen Vortrag der Herrscherpersönlichkeit Pietro Leopoldos und beleuchtete dessen aufklärerisches Wirken in Florenz. Dabei zeichnete er das Porträt eines geschickten, vielseitig interessierten politischen Akteurs, der im Großherzogtum zahlreiche nachhaltige Reformen umsetzen konnte. Ebenso betonte Fillafer, dass sich Pietro Leopoldos auf Versuch und Irrtum beruhendes Vorgehen im Rahmen seines wissenschaftlichen Forschens und Experimentierens, etwa auf dem Gebiet der Chemie, auch in der Gesetzgebung gezeigt habe. Die „experimentelle Staatsführung“ manifestierte sich etwa darin, dass er Regelungen, die ihm selbst ungerecht erschienen, auch wieder zurücknahm. Fillafer endete mit einem Appell, vermehrt Forschung zu aufklärerischen Tendenzen abseits des klassischen Narrativs, das häufig als kohärentes Feld betrachtet werde, zu betreiben. Wichtig sei eine Revision der Geschichte der europäischen Aufklärung und des habsburgischen Staatswesens aus toskanischer Perspektive.

Die Wissenschaftshistorikerin ANNARITA FRANZA (Florenz) setzte sich mit der Bedeutung Pietro Leopoldos als Sammler, Naturforscher und Reformer auseinander. So werde etwa die von ihm bereits 1786 initiierte Abschaffung der Todesstrafe bis heute in Florenz gefeiert; auch die während seiner Herrschaft durchgeführten politischen, juridischen und wissenschaftlichen Reformen seien im kollektiven Gedächtnis der Toskana verankert. Ebenso gründete Pietro Leopoldo im Jahr 1775 das heutige Naturhistorische Museum der Universität Florenz. Um Bergbau und Erzgewinnung zu fördern, habe Pietro Leopoldo sogar Experten aus Kärnten in die Toskana eingeladen.

MARTIN KRENN vom Naturhistorischen Museum (Wien) bot Einblicke in die Praxis des Mineraliensammelns der Habsburger in der Frühen Neuzeit. Er beschrieb, dass die ältesten Stücke der kaiserlichen Sammlung aus dem 16. Jahrhundert stammen, und betonte die Zäsur, die das 18. Jahrhundert für die Erweiterung der Bestände bedeutete, darunter insbesondere die unter Franz Stephan von Lothringen angekaufte, 30.000 Objekte umfassende Naturaliensammlung des Florentiner Architekten und Gelehrten Jean de Baillou (1679–1758). Dann behandelte Krenn den deutsch-österreichischen Mineralogen Carl Friedrich Christian Mohs (1773–1839), den er als einen der Gründungsväter der modernen Mineralogie charakterisierte. Der in Wien als Professor tätige Mohs, der seine Vorlesungen – ungewöhnlicherweise – am kaiserlichen Mineralien-Cabinet abhielt, entwickelte die bis heute verwendete Mohs'sche Härteskala, mit der Mineralien nach ihrer Kratzfestigkeit klassifiziert werden.

In der abschließenden Diskussion wurde erörtert, inwiefern sich Mineralien im 18. Jahrhundert von anderen Sammlungsobjekten unterscheiden. Diese hatten einerseits aufgrund ihrer Rarität einem hohen materiellen Wert und erfüllten so das Repräsentationsbedürfnis aufgeklärter Herrscher. Andererseits wurde auch auf das naturgeschichtliche und ästhetische Interesse der Habsburger – vor allem das Franz Stephans und vieler seiner Kinder – verwiesen, das mit der zeitgenössischen Mode des Naturaliensammelns zusammengefallen sei. Weiters wurde erörtert, ob die bei Naturaliensammlungen des 19. Jahrhunderts häufig bestehenden kolonialen Entstehungsumstände auch auf das 18. Jahrhundert zutreffen. Wie die Analyse der Sammlungspraktiken um den Mineralienkatalog Leopolds II. nahelegt, bestanden auch bei (Wissens-)Austauschprozessen im frühneuzeitlichen Habsburgerreich klare Ungleichgewichte und Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Zentrum bzw. Zentren und Peripherie. Diese lassen sich jedoch nicht ausreichend mit den bislang vor allem am Beispiel des British Empire studierten Praktiken kolonialer Wissenschaft beschreiben.

Der vorliegende Symposiumsbericht erscheint auch im 2022 publizierten 37. Jahrbuch der Österreichischen Gesellschaft zur Erforschung des Achtzehnten Jahrhunderts (OGE18), das unter dem Titel „Achtzehntes Jahrhundert populär. Eighteenth Century, Popular. Dix-huitième siècle populaire“ von Thomas Wallnig, Thomas Assinger und Elisabeth Lobenwein, unter Mitarbeit von Sandra Hertel, im Böhlau Verlag herausgegeben wird.

Konferenzübersicht:

Johannes Feichtinger (Wien), Lidia Pittarello (Wien): Welcome

Johannes Mattes (Wien): Introductory remarks

Franz L. Fillafer (Wien): Pietro Leopold and mineral collecting: just a pastime?

Annarita Franza (Florenz): Archduke Leopold and mineral collecting: just a pastime?

Martin Krenn (Wien): Friedrich Mohs and the Vienna “Mineraliencabinet” in the first half of the 19th century

Panel discussion

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